Von
Johannes Schlaf
Im Insel-Verlag zu Leipzig
Draußen am Hinterdeich hab ich mein Duselplätzchen.
Ein kleines Stündchen gehts durch die blütendurchwölkten Gärten, anBlumenbeeten, Gräben, Wiesen und Feldern vorbei, und ich bin an Ort undStelle.
Und dann lieg ich tief im Gras, in der hellen Sonne, die Hände untermGenick, und pfeife und simuliere in den blauen Himmel und diemilchweißen Frühlingswolken hinein. Blühender Weißdorn über mir. Derfrische Wind drin und Bienen, Hummeln, Fliegen und Schmetterlinge. Indie Länge und Breite dehnen sich vor mir die Wiesen hell gegendunkelgrüne Binsenstrecken hin zum Fluß hinunter, wogen und gleißen mitsmaragdenen Wellen. Und in weiten Farben breitet sich roter Sauerampferdazwischen und lilaweißes Schaumkraut mit zierlichen Dolden, gelbeRanunkeln und Kuhblumen, und mit feinem rauchigen Silberflimmer dietausend und tausend Lichterchen der Butterblumen.
Langsam, im Schritt weidend, tauchen Kühe drüben auf dem andern Ufer ausdem frischgrünen, lichtflinkernden Erlengehölz. Braune, schwarze undgefleckte. Sie rupfen und brüllen. Und gemächlich her bis gegen dieblitzende stillgleitende Fläche. Hoch aber aus dem weitgewölbtenweißlichen Blau die Lerchen, und Kibitze hinter mir auf denWiesenbreiten, Elstern und Raben. Kuckuck, Stare und Finken im Gehölz,und aus den tiefen grünen Dämmerungen heraus die Nachtigall.
Fern, weit vom Fluß herübergetragen, das Tuten eines Dampfers und dasKreischen der Möwen.
Hergetragen und verweht, aufjubelnd und verebbend hundert und hundertLaute und Lieder; und der herrliche, fröhliche Tumult der weiten Farben:hell, verhauchend, nah und fern, gleißend und sänftigend.
Und die warme, helle Sonne. Die stille, stille Sonne …
Meiner Einsamkeit entgegen.
So lustig bin ich, so stillfröhlich, so zutäppisch liebevoll wie einKind.
Mit jedem Pulsschlag, mit jedem Beben meines Körpers, mit jeder Bewegungliebkose ich die weit und lustig gebreitete Welt. Und mich liebkosen dieKäfer, die Blumen und Bäume mit Summen und Blüten und Laub, mit Farbenund Düften und hundert sanften Berührungen. Der leise Wind durch Blätterund Gezweig liebkost mich, kühle Schatten und helle, warme Lichter,blaue Fernen und heitre Nähen, ziehende Wolken und Wellen.
Zwischen einem Getreidefeld und dem Erlengebüsch eines Grabens schlendr'ich hin.
Hoch ragt es über mich hinauf, hinein in endlos tiefe, klare Bläue.Lichtglänzendes Laub und wogende, wellende Halme biegen sich zu mir her,vor mir, hinter mir, zu beiden Seiten. Ganz, ganz versunken bin ich injungem, duftenden Grün; über und über ist mein Kleid voll gelbenSamenstaubes und feinen Blütengeriesels.
Kühles, wogendes, anschmiegendes Schmeicheln. Weite, weite jubelndeBläue. Mückenspiel vor mir her, und auf blinkendem Gekräusel stille,weiße Blumen …
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