PAUL GAUGUIN, NOA NOA

MIT ACHT ABBILDUNGEN

PAUL GAUGUIN

NOA NOA

VERLAG VON BRUNO CASSIRER
BERLIN

DEUTSCH VON LUISE WOLF

9.-12. TAUSEND

„Dites, qu’avez-vous vu?“

Charles Baudelaire.

Nach dreiundsechzigtägiger Überfahrt, dreiundsechzigTagen fieberhafter Erwartung, bemerkten wir am 8. Juniin der Nacht seltsame Feuer, die sich im Zickzack aufdem Meere bewegten. Von dem dunkeln Himmel löstesich ein schwarzer Kegel mit zackigen Einschnitten.

Wir umschifften Morea und hatten Tahiti vor uns.

Einige Stunden später begann der Tag zu grauen, wirnäherten uns langsam den Klippen, liefen in das Fahrwasserein und landeten ohne Unfall an der Rhede.

Der erste Anblick dieses Teils der Insel bietet nichtsAußergewöhnliches, nichts, das sich z. B. mit der herrlichenBucht von Rio de Janeiro vergleichen ließe.

Es ist der Gipfel eines zur Zeit der Sintflut überschwemmtenBerges. Nur die äußerste Spitze ragte aus der Fluthervor: eine Familie flüchtete sich dahin und gründeteein neues Geschlecht – dann kletterten die Korallen daranempor, setzten sich rings um die Bergspitze fest und bildetenim Laufe der Jahrhunderte neues Land. Es dehntsich immer noch aus, bewahrt aber den ursprünglichenCharakter der Einsamkeit und Abgeschiedenheit, die dasMeer in seiner Unendlichkeit noch erhöht.

Um zehn Uhr morgens stellte ich mich bei dem Gouverneur,dem Neger Lacascade, vor, der mich wie einePersönlichkeit von Ansehen empfing.

Ich verdankte diese Ehre meiner Mission, mit der diefranzösische Regierung mich – ich weiß nicht warum –betraut hatte. Allerdings war es eine künstlerische Mission,aber in den Augen des Negers war dies Wort nurdas offizielle Synonym für Spionage, und ich bemühtemich vergebens, ihn davon abzubringen. Jedermann inseiner Umgebung teilte seine irrige Ansicht, und als ichsagte, daß meine Mission unbezahlt sei, wollte mir diesniemand glauben.

*          *          *

Das Leben zu Papeete wurde mir bald zur Last.

Das war ja Europa – das Europa, von dem ich michzu befreien geglaubt hatte! – und dazu noch unter denerschwerenden Umständen des kolonialen Snobismus undder bis zur Karikatur grotesken Nachahmung unserer Sitten,Moden, Laster und Kulturlächerlichkeiten.

Sollte ich einen so weiten Weg gemacht haben, um daszu finden, gerade das, dem ich entflohen war!

Aber ein öffentliches Ereignis interessierte mich doch.

Der König Pomare war zu dieser Zeit tödlich erkrankt,und die Katastrophe wurde täglich erwartet.

Die Stadt hatte allmählich ein sonderbares Aussehenangenommen.

Alle Europäer, Kaufleute, Beamte, Offiziere und Soldatenlachten und sangen wie sonst auf den Straßen, währenddie Eingeborenen sich mit ernsten Mienen und gedämpfterStimme

...

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