Anmerkungen zur Transkription:
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11.-25. Tausend
Annette von Droste-Hülshoff
Mit 37 Zeichnungen von
Max Unold
Im Insel-Verlag zu Leipzig
Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig
Wo ist die Hand so zart, daß ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,
So fest, daß ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein?
Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,
Zu wägen jedes Wort, das unvergessen
In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,
Des Vorurteils geheimen Seelendieb?
Du Glücklicher, geboren und gehegt
Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,
Leg hin die Wagschal, nimmer dir erlaubt!
Laß ruhn den Stein — er trifft dein eignes Haupt!
3riedrichMergel, geboren 1738, war der einzige Sohn eines sogenanntenHalbmeiers oder Grundeigentümers geringerer Klasse im Dorfe B., das, soschlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisendenfesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünenWaldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges.Das Ländchen, dem es angehörte, war damals einer jener abgeschlossenenErdwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen, wo noch einfremdes Gesicht Aufsehen erregte und eine Reise von dreißig Meilenselbst den Vornehmeren zum Ulysses seiner Gegend machte — kurz, einFleck, wie es deren sonst so viele in Deutschland gab, mit all denMängeln und Tugenden, all der Originalität und Beschränktheit, wie sienur in solchen Zuständen gedeihen.
Unter höchst einfachen und häufig unzulänglichen Gesetzen waren dieBegriffe der Einwohner von Recht 4und Unrecht einigermaßen in Verwirrunggeraten, oder vielmehr, es hatte sich neben dem gesetzlichen ein zweitesRecht g