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Stromaufwärts

Aus einem Frauenleben


von
Angela Langer

1913


S. Fischer, Verlag, Berlin

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
Copyright 1913 S. Fischer, Verlag, Berlin.

Herrn
Otto Brandes
in dankbarer Freundschaft gewidmet.

Vom Volke nahm ich's,  
Dem Volke geb' ich's ..
Angela Langer

Meine Eltern hatten einen kleinen Laden und eineganz kleine Wohnung dabei. In dem Ladenlagen viele Sachen, wie Kerzen, Seifen, Bürstenund noch anderes, das mir ungeheure Achtung einflößte.Wenn Weihnachten herannahte, erhielt meinVater jedesmal eine gewaltige Kiste, deren Auspackenmein größtes Glück war. Oft verschob meinVater diesen feierlichen Akt, und in meiner Ungeduldmahnte ich ihn manchesmal daran. Wenn erdann endlich eines Morgens erklärte, er würde heutedie Kiste öffnen, stand ich schon lange, bevor er sichwirklich daranmachte, mit einem Hammer und einerZange in den Händen um ihn herum und konntemeine Ungeduld kaum zügeln.

Mit größter Spannung beobachtete ich dann, wiemein Vater das Stemmeisen zwischen die Kiste undden Deckel preßte, um die Nägel zu lockern, wobei erden Deckel oft sprengte. Unter diesem lag gewöhnlicheine dichte Schicht fein geschnittener Papierschnitzelund darunter wieder waren die kleinen Kästen, die allerhand Figuren aus Zucker oderSchokolade enthielten. Beim Auspacken fand sichdann oft etwas Zerbrochenes vor, wie ein Reiter,dem der Helm abgeschlagen worden war, ein Fähnrich,der seine Fahne verloren hatte, oder eineandere Gestalt, der Arm oder Bein fehlte. Vondiesen zerbrochenen Stücken gab mir mein Vateroft das eine oder das andere, aber ich bezähmtemeine Sehnsucht, die Sachen sogleich zu verzehren.Ich suchte mir einen kleinen Zweig oder sonst etwas,das wohl mit sehr viel Einbildung einen Christbaumvorstellen konnte, hängte den zerbrochenenEngel oder den verunglückten Reiter daran, umdann mit vielem Bedacht ein Stück nach dem andernherunter zu essen. Mein Bruder half mir inallen diesen Dingen, besonders im Essen.

Ich erinnere mich eines Weihnachtsabends. Ichzählte ungefähr fünf Jahre, mein Bruder vier, alsich eine ganz kleine hölzerne Puppe bekam, die michungemein erfreute. Sie hatte kein Haar und konntesich auch nicht viel bewegen, doch das merkte ich damalskaum. Ich saß auf dem weißgescheuertenFußboden und spielte glückselig mit ihr. MeinBruder hatte ein kleines Messer mit einer Klinge,wie man sie in unserer Gegend zum Weintraubenschneidenbenutzt, erhalten und war sehr stolz darauf.

Den nächsten Morgen saßen wir beide in unseren Hemdchen auf dem großen Tische, der mitten imZimmer stand, und meine Mutter war daran, unszu waschen. Sie hatte irgend etwas aus der Küchezu holen, und während sie draußen war, sagte meinBruder, daß meine Puppe nicht schön sei, woraufich erwiderte, daß sein Messer nicht schneide. Daraufhinfrug er mich, ob er es an meinem Beine probierensolle. Ich e

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