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SCHUHLIN

EINE ERZÄHLUNG
VON
CARL STERNHEIM

LEIPZIG
KURT WOLFF VERLAG

Mit Titelzeichnung von Ottomar Starke.Gedruckt bei Poeschel & Trepte in LeipzigOktober 1915 als einundzwanzigster Bandder Bücherei »Der jüngste Tag«

COPYRIGHT 1915 BY KURT WOLFF VERLAG • LEIPZIG

SCHUHLIN

OB der musikalischen Erfindung des LudwigSchuhlin Größe in dem Umfang innewohnte,wie er selbst sie ihr zumaß, wird die Zeit lehren. Ober im Gewissen die gewaltige Überzeugung hatte, dieer zur Schau trug, weiß Gott allein. Die ihm nahe standen,sind von seinen Stücken angerührt worden; dieweitere Welt hat ihnen den Erfolg versagt.

Schuhlin kam aus der Tiefe des Volkes. Proletarischernährt und erzogen, lief ihm bis ins Jünglingsalterdas Leben schmucklos hin. Ein Pianoforte, aus einemErdgeschoß klingend, traf zum ersten Mal sein Herzmit edler Erfindung und versetzte ihn in Schwung,dem er nicht mehr entrann. An eine Regentraufe gelehnt,hörte er in der Folgezeit viel feierliche und fröhlicheMusik, die sich in seine Seele senkte. Bis einesTages er, entdeckt von dem gerührten Spieler, in dessenUmgebung gezogen wurde. Näher hinhörend, lernteer nun die Elemente des Spiels, griff bald und begriffdie Tasten und ihre Bedeutung. Die Welt wardihm völlig Klavier. In Terzen, Quinten, Oktavensprang sein Denken, Dur und Moll spannte sein Herz.Über die Leiter der Schubert- und BeethovenschenEmpfindungsstürme entrückte er dem gemeinen All undstand mit zwanzig Jahren in Kleidern des Kleinbürgers,die Stirn in den Sphären auserwählter Menschheit.Geld auf Fahrten verdienend, die er mit einem Flötenbläser,einem Trompeter über die Märkte seines Bezirkszu Kirmeß und Kirchweih unternahm, gab er esnur zu Teilen für seinen Unterhalt aus, verwandte dasMeiste für den Unterricht bei bedeutenden Lehrern, biser große Klavierstücke technisch vollendet so selbständigaus dem Flügel hämmerte, daß ihm innereBewegung verständiger Zuhörer überall gewiß war.Da verließ er die Heimat und gewann auf Reisen beträchtlicheSicherheit der Lebensformen. Man traf ihnim Frack, den er nicht übel zu tragen wußte, in denSalons situierter Kaufleute nach dem Abendessen vordem Klavier. Den schönen Kopf auf freiem Hals überdas Notenblatt gehoben, spielte er, und die bürgerlichenFrauen im Umkreis öffneten ihm die Herzen. Stander auf, kam, noch getragen von rhythmischen Wellen,durch den Raum, senkte er den Blick in begeisterteAugen, die er merkte, und von denen er Lohn forderte.Überall nahm er das leicht zu ergreifende Weibmittlerer Kreise als Beute, schüttelte ihr geringes Eigenteilaus ihr heraus, mit dem er sich stärkte. In immerbessere Zirkel brachte ihn die mit Begeisterung geübteKunst, und es fehlte ihm schließlich ein bedeutendesEinkommen, lebhafter Beifall nicht. Sein Selbstbewußtseinverlangte alsbald überzeugendere Erfolge: dieVerehrung einer großen Dame, Freundschaft eines inden Künsten

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