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Book cover

Berlins Drittes Geschlecht

von

Dr. Magnus Hirschfeld

7. Auflage

Motto:
»Die grosse Überwinderin aller Vorurteile ist nicht die
Humanität, sondern die Wissenschaft.«

Berlin und Leipzig
Verlag von Hermann Seemann Nachfolger G. m. b. H.

Großstadt-Dokumente

Band 3. Herausgegeben von Hans Ostwald


Vorwort.

Als ich von Hans Ostwald aufgefordert wurde, für dievon ihm herausgegebenen Großstadtdokumente den Band zubearbeiten, welcher das Leben der Homosexuellen in Berlinbehandeln sollte, glaubte ich mich diesem Wunsche nicht entziehenzu dürfen.

Wenn ich auch das Ergebnis meiner Untersuchungenauf dem Gebiete der Homosexualität bisher nur in wissenschaftlichenFachorganen, besonders in den Jahrbüchern fürsexuelle Zwischenstufen, publiziert hatte, so war ich mir dochlange darüber klar, daß die Kenntnis eines Gegenstandes, dermit den Interessen so vieler Familien aller Stände verknüpftist, nicht dauernd auf den engen Bezirk der Fachkollegenoder auch nur der akademischen Kreise beschränkt bleibenwürde und könnte.

Dies zugegeben, leuchtet es gewiß ein, daß diepopulär-wissenschaftliche Darstellung in einer so diffizilenFrage am geeignetsten von Seiten derjenigen erfolgen sollte,die sich vermöge ausgedehnter wissenschaftlicher Forschungenund Erfahrungen und auf Grund unmittelbarer Anschauungdie erforderliche Qualifikation und Kompetenz erworben haben.

Ich war in der folgenden Arbeit bemüht, ein recht naturgetreuesund möglichst vollständiges Spiegelbild von Berlins„drittem Geschlecht“, wie man es vielfach, wenn auch nichtgerade sehr treffend bezeichnet hat, zu geben. Ich war bestrebt,— ohne Schönfärberei, aber auch ohne Schwarzmalerei —alles streng wahrheitsgemäß unter Vermeidung nähererOrtsbezeichnungen so zu schildern, wie ich es zum größtenTeil selbst wahrgenommen, zum kleinen Teil von zuverlässigenGewährsmännern erfahren habe, denen an dieser Stelle fürdas mir erwiesene Vertrauen zu danken, ich als angenehmePflicht empfinde.

Manchem wird sich hier innerhalb der ihm bekanntenWelt eine neue Welt auftun, deren Ausdehnung und derenGebräuche ihn mit Erstaunen erfüllen werden.

Man hat gelegentlich die Befürchtung ausgesprochen, eskönnte durch populäre Schriften für die Homosexualität selbst„Propaganda“ gemacht werden. So sehr eine gerechte Beurteilungder Homosexuellen angestrebt werden muß, sowenig wäre dieses zu billigen. Die Gefahr liegt aber nichtvor. Die Vorzüge der normalsexuellen Liebe, wie sie —um nur von vielen einen zu nennen — vor allem im Glückeder Familie zum Ausdruck gelangen, sind denn doch sogewaltige, die Nachteile, die aus der homosexuellen Anlageerwachsen, so außerordentliche, daß, wenn ein Wechsel derTriebrichtung möglich wäre, er gewiß für die Homosexuellen,nicht aber für die Normalsexuellen in Betracht kommen würde.

Tatsächlich hat aber die wissenschaftliche Beobachtungin Übereinstimmung mit der Selbsterfahrung sehr zahlreicherPersonen gelehrt, daß ein derartiger Umschwungnicht möglich ist, da nichts dem Charakter und Wesen einesMenschen so adäquat und fest angepaßt ist, wie die nachErgänzung der eigenen Individualität zielende Richtungdes Liebes- und Geschlechtstriebes.

Ob und inwieweit die Handlungen der Homosexuellenunter den Begriff von Schuld und Verbrechen fallen, obund inwieweit ihre Strafverfolgung zweckmäßig oder notwendigerscheint, inwieweit diese überhaupt möglich ist —diesen Schluß möge am Ende meines

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