NOVELLE VON
L. DANÖFEN
BERLIN-LEIPZIG
MODERNES VERLAGSBUREAU
CURT WIGAND
1907
In sanften Wellen breitet sich die Landschaft aus. DieNatur hat hier aufgehört, Grandioses zu ersinnen, vor demerschrocken der Mensch in Betäubung steht; auch hat sienicht verschwendet in üppiger Schönheit, dass er ihr berauschtam Busen liegt, – sondern sie hat mit sanfter,friedlicher Hand einfache, ruhevolle Linien in dieses StückWelt gezeichnet und hängt sich ihm vertraulich an denArm und schweigt selber, damit sie ihn höre.
Überall Äcker und Felder, stille dunkelbraune Erde,die sich leise zu schmücken beginnt, aus deren Schollensich mühsam und zaghaft junges, weiches Grün schiebt,– dieses lichte, siegende Grün, das die schwere Farbe sobald verdrängt und sich sonnenfroh unter dem weitenHimmel dehnt.
Dazwischen Wälder, blaugrün, dunkel, duftumsponnen,die ernstere Töne mit in diese Landschaft bringen undhier und dort ein unvermittelt aus den grünen Tälern aufstrebenderFelsen, der als blendender Hügel verwegen indem königlichen Blau des Himmels steht und hochmütigauf die uralte Geschichte seines Landes hinweisend, inseinem porösen, kalkigen Gestein ein Stück einstigenLebens umschlossen hält. Träumende Pflanzen und trägeSchnecken, die überrascht worden sind in ihrer Beschaulichkeitvon der umstürzlerischen Erde und endlich inlangen Jahrtausenden erstarrten und versteinerten. –
Nichts verbildet ringsum, nichts verbaut. Nur manchmalein stilles Dorf. So still, dass man glaubt, es wohne seitMenschengedenken niemand hier, – als hätten die Leutevor langem ihr Bündel geschnürt und seien fortgezogenauf den schweigenden Strassen, die vereinzelt wie trübeBänder um diese Weiler liegen und sie zusammenhaltenin dürftigem Verkehr.
Ein altmodischer Kirchturm schaut aus jedem Dorfe,gar einfältig mit seinem braunen, moosigen Schindeldachaus vergangenen Zeiten. Man erschrickt fast, wenn auseinem dieser Türme die Glocke plötzlich anhebt zuschlagen – ein Lebenslaut kann auch bestürzen, wo manihn nicht erwartet hat. Man glaubt, die Glocken müsstenlängst gerostet sein, da sie für niemand zu läuten brauchenin diesen grauen, verschollenen Häusern, die um jeneKirche stehen.
Nur wenn man spät abends von einem der Hügel wegüber diese Landschaft schaut und hier und dort ein mattes,rötliches Lichtlein aus den Fenstern eines dieser Dorfhäuserblinken sieht, so glaubt man es, dass auch Menschen hierwohnen, Menschen, die mit fleissigen Händen Furchen durchdiese Erde ziehen und ihre Saaten in sie legen.
Aber es müssen seltsame Leute sein, altmodische, diezurück sind und stehen geblieben – und feindlich gewordengegen die grosse, schnelle, bewegliche Welt.
Es war ein Abend im Mai. Die immer gleiche Einsamkeitüber der Gegend. – Ein noch junger Mann, derauf einer Ruhebank oben am Buchensaum des Waldessass, lauschte ihrer mit bangen Zügen. Er hatte sichzurückgelehnt, den Hut abgenommen und den Blick nachWesten gerichtet, wo der Himmel schon im Abendträumenlag.
Es waren ein paar aufschreiende Augen, die wie vorFeuersbrünsten standen, nicht vor einem stillen, träumigenBilde solch schlichter Art. Diese Augen hatten wohlviel gesehen und geschaut. Schönheit und Schrecken –und sie waren beweglich geworden, ruhelos und auffahrend.
Über ihnen aber thronte das Massiv der Stirne. Dashatte sich aufgebaut und breit gemacht wie eine Festung.War gebildet und erstarkt in Trotz und Selbständigkeit.Im ganzen Antlitz lag nicht der Ausdruck des Feierns