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ZWEITE AUFLAGE

EMILE VERHAEREN

FÜNF ERZÄHLUNGEN

MIT 28 HOLZSCHNITTEN VON FRANS MASEREEL

IM INSEL-VERLAG ZU LEIPZIG
1922

ÜBERTRAGEN
VON
FRIDERIKE MARIA ZWEIG

FÜNF ERZÄHLUNGEN

DERGASTHOF ZUM SANFTEN TOD

SIE starben am selben Tage, ganz plötzlich,der eine im Keller, der andere auf dem Dachbodendes Gasthofes „Zum sanften Tod“. Dasalte Haus hatte seinerzeit alle Pilger beherbergt,die aus Flandern herbeizogen, „Unsere liebeFrau zur Letzten Stund“ anzuflehen. Währendzweier Jahrhunderte ward die Jungfrau hierbeschworen. Kriege stürzten ihr Standbild.Ihre Kapelle wurde zerstört, der Gasthof bliebbestehen.

Die Leute aus Weerd, aus Tibrode undTamise kamen des Sonntags hin, ihren Schoppenzu trinken.

Große kupferne Töpfe verbreiteten helleReinlichkeit, und dieser Anblick von Sauberkeitund Kälte wurde noch erhöht durch dieSchweigsamkeit einiger spärlicher Trinker, diewortlos und ernst einander anpafften. Sie hieltenihre holländischen Pfeifen zwischen den Fingernund spuckten in hölzerne Eimer. Wenn einervon ihnen mit dem Pfeifenkopf auf seinen Krugklopfte, stand Saft, der jüngere der beidenBrüder, auf und stieg in den Keller hinab, umdas geleerte Glas wieder zu füllen. Hatte er eszurückgebracht, so setzte er sich hin und wurdewieder ganz starr und stumm. Die massive,sargartige Uhr, hinter deren Glasscheibe dasbezifferte Antlitz der Stunden hervorlugte,tickte unentwegt ihre gleichmäßigen Silben.

Die Sonntage ausgenommen, kam niemandhierher außer der alten unverwüstlichen MieBergman, deren geräuschvolle Geschäftigkeitdas Haus um und um stöberte und räumte.

Ach, dieser Gasthof „Zum sanften Tod“: imWinter brütete er im Nebel, dicht an denDämmen, die so klebrig waren wie Schmierseife;im Sommer lagerte vor seinem grauenTor der beständige Schatten einer Taxusallee,die zur ehemaligen Kapelle führte.

Zu Lebzeiten der Eltern wollte der ältereder beiden Brüder, Adriaen, fortziehen, umPriester zu werden. Er besaß einen nüchternenund zielbewußten Willen, dabei war er vonschnüfflerischer und strenger Frömmigkeit.Eine Befürchtung aber hatte ihn zurückgehalten:der jüngere würde sich den Vater langsamerobert haben, Tag um Tag, Stunde fürStunde, und hätte schließlich ihn verdrängt,ihn, der unbedingt der zukünftige Besitzer seinwollte. Saft war übri

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