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Tristan

von

Thomas Mann

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Hier ist >Einfried<, das Sanatorium! Weiß und geradlinig liegt es mitseinem langgestreckten Hauptgebäude und seinem Seitenflügel inmitten desweiten Gartens, der mit Grotten, Laubengängen und kleinen Pavillons ausBaumrinde ergötzlich ausgestattet ist, und hinter seinen Schieferdächernragen tannengrün, massig und weich zerklüftet die Berge himmelan.

Nach wie vor leitet Doktor Leander die Anstalt. Mit seinem zweispitzigenschwarzen Bart, der hart und kraus ist wie das Roßhaar, mit dem man dieMöbel stopft, seinen dicken, funkelnden Brillengläsern und diesem Aspekteines Mannes, den die Wissenschaft gekältet, gehärtet und mit stillem,nachsichtigem Pessimismus erfüllt hat, hält er auf kurz angebundene undverschlossene Art die Leidenden in seinem Bann, — alle diese Individuen,die, zu schwach, sich selbst Gesetze zu geben und sie zu halten, ihm ihrVermögen ausliefern, um sich von seiner Strenge stützen lassen zudürfen.

Was Fräulein von Osterloh betrifft, so steht sie mit unermüdlicherHingabe dem Haushalte vor. Mein Gott, wie tätig sie, treppauf undtreppab, von einem Ende der Anstalt zum anderen eilt! Sie herrscht inKüche und Vorratskammer, sie klettert in den Wäscheschränken umher, siekommandiert die Dienerschaft und bestellt unter den Gesichtspunkten derSparsamkeit, der Hygiene, des Wohlgeschmacks und der äußeren Anmut denTisch des Hauses, sie wirtschaftet mit einer rasenden Umsicht, und inihrer extremen Tüchtigkeit liegt ein beständiger Vorwurf für die gesamteMännerwelt verborgen, von der noch niemand darauf verfallen ist, sieheimzuführen. Auf ihren Wangen aber glüht in zwei runden, karmoisinrotenFlecken die unauslöschliche Hoffnung, dereinst Frau Doktor Leander zuwerden…

Ozon und stille, stille Luft … für Lungenkranke ist >Einfried<, wasDoktor Leanders Neider und Rivalen auch sagen mögen, aufs wärmste zuempfehlen. Aber es halten sich nicht nur Phthisiker, es halten sichPatienten aller Art, Herren, Damen und sogar Kinder hier auf: DoktorLeander hat auf den verschiedensten Gebieten Erfolge aufzuweisen. Esgibt hier gastrisch Leidende, wie die Magistratsrätin Spatz, dieüberdies an den Ohren krankt, Herrschaften mit Herzfehlern, Paralytiker,Rheumatiker und Nervöse in allen Zuständen. Ein diabetischer Generalverzehrt hier unter immerwährendem Murren seine Pension. Mehrere Herrenmit entfleischten Gesichtern werfen auf jene unbeherrschte Art ihreBeine, die nichts Gutes bedeutet. Eine fünfzigjährige Dame, die PastorinHöhlenrauch, die neunzehn Kinder zur Welt gebracht hat und absolutkeines Gedankens mehr fähig ist, gelangt dennoch nicht zum Frieden,sondern irrt, von einer blöden Unrast getrieben, seit einem Jahrebereits am Arm ihrer Privatpflegerin starr und stumm, ziellos undunheimlich durch das ganze Haus.

Dann und wann stirbt jemand von den >Schweren<, die in ihren Zimmernliegen und nicht zu den Mahlzeiten noch im Konversationszimmererscheinen, und niemand, selbst der Zimmernachbar nicht, erfährt etwasdavon. In stiller Nacht wird der wächserne Gast beiseite geschafft, undungestört nimmt das Treiben in >Einfried< seinen Fortgang, dasMassieren, Elektrisieren und Injizieren, das Duschen, Baden, Turnen,Schwitzen und Inhalieren in den verschiedenen mit allen Errungenschaftender Neuzeit ausgestatteten Räumlichkeiten…

Ja, es geht lebhaft zu hierselbst. Das Institut steht in Flor. DerPortier, am Eingange des Seitenflügels, rührt die große Glocke, wennneue Gäste eintreffen, und in aller

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