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Eduard Mörike
Mozart auf der Reise nach Prag
Eine Novelle
Im Herbst des Jahres 1787 unternahm Mozart in Begleitung seinerFrau eine Reise nach Prag, um >Don Juan< daselbst zur Aufführung zubringen.
Am dritten Reisetag, den vierzehnten September, gegen elf Uhr morgens,
fuhr das wohlgelaunte Ehepaar, noch nicht viel über dreißig Stunden
Wegs von Wien entfernt, in nordwestlicher Richtung jenseits vom
Mannhardsberg und der deutschen Thaya bei Schrems, wo man das schöne
Mährische Gebirg bald vollends überstiegen hat.
>Das mit drei Postpferden bespannte Fuhrwerk<, schreibt die Baronessevon T. an ihre Freundin, >eine stattliche, gelbrote Kutsche, warEigentum einer gewissen alten Frau Generalin Volkstett, die sichauf ihren Umgang mit dem Mozartischen Hause und ihre ihm erwiesenenGefälligkeiten von jeher scheint etwas zugut getan zu haben.< - Dieungenaue Beschreibung des fraglichen Gefährts wird sich ein Kenner desGeschmacks der Achtziger Jahre noch etwa durch einige Züge ergänzen.Der gelbrote Wagen ist hüben und drüben am Schlage mit Blumenbuketts,in ihren natürlichen Farben gemalt, die Ränder mit schmalenGoldleisten verziert, der Anstrich aber noch keineswegs von jenemspiegelglatten Lack der heutigen Wiener Werkstätten glänzend, derKasten auch nicht völlig ausgebaucht, obwohl nach unten zu kokett miteiner kühnen Schweifung eingezogen; dazu kommt ein hohes Gedeck mitstarrenden Ledervorhängen, die gegenwärtig zurückgestreift sind.
Von dem Kostüm der beiden Passagiere sei überdies so viel bemerkt. MitSchonung für die neuen, im Koffer eingepackten Staatsgewänder war derAnzug des Gemahls bescheidentlich von Frau Konstanzen ausgewählt;zu der gestickten Weste von etwas verschossenem Blau sein gewohnterbrauner Überrock mit einer Reihe großer und dergestalt fassonierterKnöpfe, daß eine Lage rötliches Rauschgold durch ihr sternartigesGewebe schimmerte, schwarzseidene Beinkleider, Strümpfe und auf denSchuhen vergoldete Schnallen. Seit einer halben Stunde hat er wegender für diesen Monat außerordentlichen Hitze sich des Rocks entledigtund sitzt, vergnüglich plaudernd, barhaupt, in Hemdärmeln da. MadameMozart trägt ein bequemes Reisehabit, hellgrün und weiß gestreift;halb aufgebunden fällt der Überfluß ihrer schönen lichtbraunen Lockenauf Schultern und Nacken herunter; sie waren zeit ihres Lebens nochniemals von Puder entstellt, während der starke, in einen Zopf gefaßteHaarwuchs ihres Gemahls für heute nur nachlässiger als gewöhnlichdamit versehen ist.
Man war eine sanft ansteigende Höhe zwischen fruchtbaren Feldern,welche hie und da die ausgedehnte Waldung unterbrachen, gemachsamhinauf und jetzt am Waldsaum angekommen.
»Durch wieviel Wälder«, sagte Mozart, »sind wir nicht heute, gesternund ehegestern schon passiert! - Ich dachte nichts dabei, geschweigedaß mir eingefallen wäre, den Fuß hineinzusetzen. Wir steigen einmalaus da, Herzenskind, und holen von den blauen Glocken, die dort sohübsch im Schatten stehn. Deine Tiere, Schwager, mögen ein bißchenverschnaufen.«
Indem sie sich beide erhoben, kam ein kleines Unheil an den Tag,welches dem Meister einen Zank zuzog. Durch seine Achtlosigkeit warein Flakon mit kostbarem Riechwasser aufgegangen und hatte seinenInhalt unvermerkt in die Kleider und Polster ergossen. »Ich hätt esdenken können«, klagte sie; »es duftete schon lang so stark. O we